Die Rückkehr von Vince McMahon zur bedeutendsten Wrestling Promotion WWE löste ein gigantisches Beben in der Welt des Sports Entertainment aus. Fast stündlich ändert sich die Lage und wie man seit 2022 sieht, lässt sich zwar viel spekulieren – aber verlässliche Aussagen über die Zukunft von World Wrestling Entertainment kann momentan niemand treffen.
Was bisher geschah.
Im Juli 2022 kann sich Vince McMahon als Chairman of the Board (of Directors) nicht mehr halten. Er verlässt WWE, bleibt aber Mehrheitseigner bei den stimmberechtigten Aktien. Grund für seinen überraschenden Abgang: die Skandale und Ermittlungen seitens der Börsen-Aufsichtsbehörde über Unregelmäßigkeiten im Geschäftsbericht. Die Unregelmäßigkeiten hängen wahrscheinlich mit den weiteren Skandalen zusammen, in die der Senior Boss verwickelt ist. Angeblich sollen Millionen US Dollar gezahlt worden sein, um mit Frauen Schweigevereinbarungen abzuschließen, mit denen McMahon sexuelle Verhältnisse gehabt haben soll. Als am Aktienmarkt notiertes Unternehmen muss bei WWE ersichtlich sein, dass diese „Schweigegelder“ nicht aus dem Firmenkapital bezahlt wurden. Ich denke mal, das war der Angriffspunkt, den eine Mehrheit der Mitglieder des Board of Directors ausnutzen wollte, um Vince loszuwerden. Denn dass hier eine Intrige gesponnen wurde, war schnell klar. Als das Bauernopfer John Laurinaitis nichts gebracht hat, hat Vince einfach den Hut genommen und sich zurückgezogen. Wie wir jetzt wissen, war der Rückzug nur taktischer Natur, denn bei aller Komplexität in diesem Fall ist Vince immer noch der Hauptbesitzer von WWE. Nichts geht ohne seinen Segen.
Stephanie McMahon, die Tochter von Vince McMahon übernimmt daraufhin als Chairwoman des BoD die Leitung des Unternehmens, zusammen mit dem ehemaligen Präsidenten Nick Khan. Ihr Ehemann Triple H kehrt aus dem Vorruhestand zurück und übernimmt als Content Creative sozusagen das operative Geschäft der Wrestling Promotion. Pikant dabei ist: Stephanie McMahon hatte die Promotion erst im Frühjahr verlassen, um sich (offiziell) der Familie zu widmen. Inoffiziell ist sie gegangen worden, weil man mit ihrer Performance nicht zufrieden war.
Im Dezember 2022 signalisiert Vince McMahon den Verantwortlichen der Geschäftsleitung, dass er jetzt für eine triumphale Rückkehr bereit wäre. Natürlich hat er das sprachlich anders verpackt. Er würde sehr gern seine Unterstützung anbieten, wenn es zum Verkauf von WWE kommt. Das ginge aber nur, wenn er wieder in seine alte Rolle zurückkehrt. Also reine Erpressung.
In der Hin und Her Kommunikation haben ihm die Board Angehörigen mitgeteilt, dass sie das für keine gute Idee hielten. Die Vorwürfe über die zahlreichen Sexskandale waren nicht aufgeklärt und seit Vince Rückzug war nicht einmal ein halbes Jahr vergangen. Eine verfrühte Rückkehr unter diesen Umständen würde sich nicht gut auf den Aktienwert des Unternehmens auswirken und somit einem anstehenden Verkauf im Wege stehen.
Honey, I’m back
Anfang Januar 2023 hat Vince McMahon dann Nägel mit Köpfen gemacht. Teile des Board of Directors wollen ihn nicht als Vorsitzenden wiederhaben? Dann werden sie eben ausgetauscht. Wenn man Mehrheitseigner ist, geht das scheinbar problemlos. 3 Mitglieder mussten gehen, dafür kamen McMahon (nur wieder Chairman), George Barrios und Michelle Wilson zurück. Letztere nachdem sie das Gremium 2020 verlassen hatten. Aufgrund dieser Entwicklung traten zwei weitere Board Mitglieder zurück, darunter Manjit Singh, der die ganzen Vorgänge überhaupt in Bewegung brachte, die zur Entlassung McMahons führten. Das Board hat ihn nun wieder einstimmig als Chairman bestätigt. Dasselbe Board, das ihm noch wenige Wochen zuvor einstimmig die Rückkehr verweigert hatte. Stephanie McMahon ist seit neuestem auch kein Co-CEO mehr. Ich kann nicht einmal sagen, ob sie überhaupt noch dem Board of Directors angehört. Die Zeichen sprechen dagegen. Sehr wahrscheinlich wird sie sich jetzt wieder mal um die Familie kümmern.
Damit dürfte die Palastrevolte endgültig gescheitert sein.
Am operativen Geschäft will Vince angeblich nichts ändern (derzeit sollte man aber nichts für bare Münze nehmen) – Triple H verbleibt also in seiner Rolle und Verantwortung.
WWE steht zum Verkauf
Wenn es stimmt, was die Spatzen von den Dächern pfeifen, ist Vince nur deshalb zurückgekehrt, weil er seine Firma verkaufen möchte. Er möchte unbedingt persönlich den Deal einfädeln. Warum gerade jetzt, darüber kann auch nur spekuliert werden – wie so oft in dieser Angelegenheit. Wenn mich nicht alles täuscht, wird Vince dieses Jahr seinen 78. Geburtstag feiern. Hat er realisiert, dass die Luft dünner wird und sich das Zeitfenster für ihn langsam schließt? Ist er womöglich krank? Gerüchte besagen, dass der Verkauf noch vor Wrestlemania über die Bühne gehen soll.
Wer kauft WWE?
Was kauft man eigentlich, wenn man WWE kauft?
Hauptsächlich Content, Lizenzen und Medienrechte. Da hatte McMahon bis zum Schluss den Daumen drauf und deshalb konnte er den Coup namens Rückeroberung von Titan Tower auch so erfolgreich durchziehen. Ohne sein Okay gehen die Inhalte und Medienrechte nicht weg. Und nur diese sind für einen potentiellen Käufer von Interesse. Das Interesse wird derzeit auf 5 Milliarden US Dollar geschätzt. Wer kann das stemmen? Für wen ist das attraktiv?
Als erstes fällt einem da natürlich NBC ein bzw. der Mutterkonzern Comcast. Sie haben die längste wirtschaftliche Verbindung zu WWE. Eine Eingliederung wäre sinnvoll.
Als Konkurrent wird noch Fox genannt, die schon auf WWE SmackDown Zugriff haben.
Disney? Höchstens als Außenseiter.
Im ersten Augenblick klingt es absurd, aber auf einmal ist der saudische Staatsfond im Gespräch. Mit Saudi Arabien gibt es ja seit Jahren einen lukrativen Deal mit exklusiven Großveranstaltungen. Das saudische Königshaus sucht wie alle Öldynastien des Nahen Ostens nach Möglichkeiten des Investments über den Öl-Boom hinaus. Bestes Beispiel ist ja die kürzlich in Katar veranstaltete Fußball WM. Das Geld wäre auf jeden Fall da. WWE wäre dann auch nicht mehr an der US Börse gelistet und müsste dann auch keine Bilanzen mehr veröffentlichen. In dieser Grauzone könnte Vince McMahon wieder schalten und walten und niemand würde Ermittlungen anstrengen, weil er vielleicht mal wieder eine Angestellte vögelt und sich danach möglicherweise ihr Stillschweigen erkauft. Wie gesagt, das sind alles nur Vorwürfe.
Und aus genau diesen Gründen ist Saudi Arabien als Neubesitzer von WWE die plausibelste Option.
Man könnte Stephanies Abgang auch als Fingerzeig für diesen Deal sehen. Abgesehen vom Machtkampf in der Familie könnte die Saudis auch verlangt haben, dass dem obersten WWE Gremium keine Frau angehört.
Egal wer den Zuschlag letztlich erhalten wird – für die unter Vertrag stehenden Wrestler wie auch die Wrestling Fans werden es aufregende Zeiten. Eine Rückkehr zur alten Wrestling Herrlichkeit mit spannenden Fehden und aufregenden Matches wird damit ausgeschlossen sein. Das wage ich zumindest zu prognostizieren. Professional Wrestling wie zu alten Territory Zeiten werden wir von WWE nicht mehr sehen. Wie das Wrestling überhaupt aussehen wird, hängt davon ab, wie der neue Besitzer die Promotion führen wird. Werden mehr Medienleute das Sagen haben oder dürfen sich Leute versuchen, die sich in diesem Sport auskennen (wie beispielsweise Triple H).
Ja, das hat alles wenig mit dem Wrestlinggeschehen im Ring zu tun, für das wir uns alle mehr begeistern. Aber auch diese Entwicklungen müssen besprochen werden, da sie Auswirkungen auf das haben werden, was wir im Ring sehen. Oder nicht mehr sehen.
AEW und Tony Khan werden davon nicht profitieren. Dazu sind die strategisch zu unbedarft. Abgesehen von der Chaostruppe gibt es keine nennenswerte Konkurrenz auf nationaler Ebene. Global schon gar nicht.