Zum Tod der Wrestling-Legende Kamala

Bereits am 9. August diesen Jahres hat uns James Harris im Alter von 70 Jahren verlassen. Den meisten Wrestling-Fans war er unter seinem Ringnamen Kamala bekannt. Er verstarb an den Folgen eines Herzinfarktes bei gleichzeitiger CoVid19 Erkrankung.
Die jüngeren Fans werden ihn nicht mehr in Erinnerung haben, da er sich in den letzten Jahren seiner Ringkarriere auf sporadische Auftritte verlegte und sich 2010 gänzlich aus dem Ring zurückzog. Grund für diesen Rückzug war sein schlechter Gesundheitszustand, der in einer Amputation beider Beine mündete. Grund war eine Diabetes-Erkrankung bei gleichzeitigem Bluthochdruck.

Kamala oder der ugandische Gigant (wie er auch angekündigt wurde) hatte seine Hochzeit in den 1980ern und frühen 90ern – also einer Zeit, die eine Unmenge dieser exotischen und grellen Gimmicks hervorbrachte. Ich wage zu behaupten, dass Harris zu keiner anderen Zeit und an keinem anderen Ort diesen Erfolg hätte haben können. Sein Engagement als Sugarbear Harris kann man als unter ferner liefen abhaken. Es waren Promoter Jerry Jarrett und Wrestler Jerry Lawler, die das wahre Potential von Harris erkannten. Zusammen mit Lawler entwickelte Harris den Kamala-Charakter, einem wilden Kopfjäger aus Uganda, der früher als Bodyguard des Diktators Idi Amin beschäftigt war. Angeblich geht die Kriegsbemalung auf Jerry Lawlers kreative Ader zurück. Da es mit seinen Fähigkeiten am Mikrofon nicht gut bestellt war, stellte man ihm immer einen Manager an die Seite, der als Mouthpiece und „Bändiger“ fungierte (unter anderem Steve Lombardi, der spätere Brooklyn Brawler). Kamala sprach einfach nicht. Fertig.

Das Gimmick stellte sich von Beginn an (Memphis, Tennessee) als äußerst erfolgreich heraus. Der wilde Riese aus Uganda pflügte durch den Kader, bis ihn irgendwann ein Babyface stoppte. Danach wechselte er in ein anderes NWA Territorium, wo man diesen Run wiederholte. Bei WWE (damals noch WWF), wo er in Abständen immer mal tätig war und letztlich auch die größte Aufmerksamkeit generierte, war er ein typisches „Monster“, das man Hulk Hogan zum Fraß vorwarf. In der Fehde gegen den Undertaker feierte er sogar eine Premiere, als er Bestandteil des ersten Sargmatches war, das im TV ausgestrahlt wurde. Wo er auftauchte, zog er die Blicke und Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Ob er nun „nur“ 1,93 m oder sogar 2 m groß war ist unerheblich: er war einfach riesig. Die wilde Bemalung, die Maske, der Speer und das ungezügelte Auftreten – alles wirkte perfekt aufeinander abgestimmt und James Harris erfüllte das Gimmick mit Leben. Hinter den Kulissen ein sanfter Teddybär und vor der Kamera bzw. im Ring brachen die Kinder in Tränen aus. Wo findet man heute noch so ein Talent?

Ob es gesundheitliche Gründe waren oder der Fakt, dass sich so ein klassisches kayfabe Theme (vor allem in den späten 90ern) schnell abnutzt – jedenfalls kehrte Harris dem Pro Wrestling den Rücken und fuhr stattdessen lieber LKW. Ja, er verdiente seine Brötchen als normaler Truckfahrer. Ich habe nichts gegen das Ausleben von Kindheitsträumen und es soll jeder das machen, was ihn glücklich macht, aber wenn Du Deine besten Jahre in dem Geschäft, in dem Du richtig erfolgreich bist, gegen eine Nebentätigkeit vergeudest, läuft etwas in die falsche Richtung. Jedenfalls muss auch Harris irgendwann diese Erkenntnis gekommen sein, so dass er bei WCW anheuerte. Dort traf er dann auch wieder auf seinen alten Fehdengegner Hogan, aber die Zeiten und das Wrestling selbst hatten sich geändert. In der zweiten Hälfte der 90er waren diese Gimmicks sowas von out und auch Hogan war zu sehr mit der NWO beschäftigt, um bereits durchgekaute 80er Jahre Fehden wieder aufleben zu lassen. So reduzierte Harris seine Auftritte als Kamala und verschwand irgendwann gänzlich von der Bühne.

Das Kamala Gimmick war einzigartig und könnte heute nicht mehr kopiert werden. Das Mindset im Wrestling ist so nicht mehr vorhanden, wie es für eine Akzeptanz dieses Gimmicks nötig wäre. Zumal das heute als dumpf-stereotyp und vor allem rassistisch gewertet würde. Selbst bei der Zigeunersoße bekommen die Leute heute kalte Füße und verschlucken sich am gleichlautenden Schnitzel. Wie soll das dann erst bei einem Showkampf-Chgarakter eines menschenfressenden Wilden aus dem schwarzen Herz Afrikas sein? Vor 30 Jahren war dann einfach doch viel mehr möglich als heute. Viele Fans werden entgegnen, dass doch derzeit Bray Wyatt mit seinem The Fiend Charakter große Aufmerksamkeit erregt. Ich sehe diesen Fall dann doch etwas differenzierter. Da WWE immer noch unangefochtener Marktführer im Sports Entertainment (kotz) ist, können sie machen, was sie wollen. Wir sind gezwungen das zu schlucken, weil es an Alternativen fehlt. Wer die Entwicklung aufmerksam verfolgt, wird wohl zustimmen wenn ich sage, dass sich die Auseinandersetzung mit Braun Strowman unter Beteiligung von Alexa Bliss nur noch cringe und strange anfühlt. Dieses ganze The Fiend Ding hat seinen Zenit längst überschritten und tritt aus kreativer Sicht nur noch auf der Stelle. In den 80er Jahren wäre Kamala jetzt in ein anderes Territorium gewechselt, wo man diese Zirkusnummer noch nicht kannte, und wo noch alles frisch wirkte. Wohin soll Bray Wyatt jetzt wechseln? Wie soll man seine Auftritte zurückfahren, ohne dieses Gimmick nicht zu beschädigen? Es gab einen Grund, weshalb der Undertaker mit einem ebenso antiquierten Gimmick über Jahrzehnte so erfolgreich sein konnte. Sparsame Dosierung seiner Auftritte, keine langen Titelregentschaften und auch mal längere Ruhepausen.

Nach diesem kleinen Exkurs in die Wrestlinggeschichte verneige ich mich dann doch vor dem „Ugandan Giant“ Kamala, seinem nervigen Manager Harvey Wippleman und die wirklich grandiose Unterhaltung, die uns alle Beteiligten in der ersten Hälfte der 1990er bei WWF beschert haben. Wenn man Jugendlicher oder noch besser Kind in dieser Zeit war, hatte man den Jackpot geknackt. Alles war farbenfroh, überdreht und ein Quell an originellen Gestalten und Angles auch wenn die Puristen unter den Fans nur die Nase gerümpft haben. Da prallten einfach zwei Kolosse aufeinander, von denen einer halbnackt war. Natürlich war das aus wrestlerischer Sicht kein Kaviar sondern eher Currywurst, aber Harris wusste, was man von ihm sehen wollte und lieferte ab.

Deshalb: gute Reise James „Sugarbear“ Harris oder besser Kamala the Giant from Uganda!

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