Nachbetrachtungen des Wrestling-Sommers 2021

Ich war fast den gesamten September unterwegs und konnte mich nur wenig um diesen Blog kümmern. Natürlich habe ich die Geschehnisse im Pro Wrestling mitbekommen und die wichtigsten Entwicklungen verfolgt, mir fehlter aber die Zeit, dass alles zeitnah zu kommentieren.

Daher nur kurz:

AEW dreht ganz schön auf. Tony Khan hat ganz schön im WWE Revier gewildert. CM Punk, Bryan Danielson (oder bleibe ich bei Daniel Bryan?), Adam Cole …
Mir scheint aber, das macht noch nicht den ganz großen Unterschied. Was Booking und Storylines betrifft, ist All Elite Wrestling immer noch die Wundertüte, wo man Überraschungen jedweder Qualität herauszieht.

Wie reagiert WWE? Was setzt Vince McMahon der „Bedrohung“ AEW entgegen?
Erst einmal nicht viel. Keine spektakulären Neuzugänge (woher sollten die auch kommen?!), keine entscheidenden Änderungen in den Strukturen oder den Abläufen der Main Shows RAW und SmackDown, keine Überraschungen in der Personalstruktur hinter den Kulissen.
Was tatsächlich großes Kino ist: das Comeback Brock Lesnars als Babyface und die Konfrontation mit WWE Champion Roman Reigns. Ich muss sagen, das fühlt sich richtig gut an – auch weil alle Beteiligten glaubhaft agieren. Dieser Angle könnte auch 1998 so aufgezogen worden sein. Brock Lesnar sieht trotz seines an Vikings angelehnten Looks immer noch aus wie 1 Million Dollar und Roman Reigns kommt als arroganter Heel-Champion rüber, als hätte er nie etwas anderes gemacht und als wäre er nie ausgebuht worden. Aus dem Tryin-to-hard Posterboy ist ein ernstzunehmender Athlet geworden.

Ein bisschen unangenehm fällt mir die Entwicklung im Main Event bei RAW auf. Hat hier WWE den Panik-Knopf gedrückt, als sie unvermittelt Big E zum Universal Champion machten? Das wirkte alles mehr wie Hals-über-Kopf als langfristiges Booking. Big E war ja noch nicht lange Inhaber des Money-in-the-Bank Koffers und konnte Bobby Lashley, den a,tierenden Inhaber der Championship, nur besiegen, weil sich dieser in einem Match gegen Randy Orton verletzt hatte. Macht ein Babyface so etwas? Lässt man so einen Titelwechsel in einer wöchentlichen Show stattfinden?
Ja, jetzt kommen wieder alle smarten Fans und erzählen, wie sehr es Big E doch verdient hätte und wie toll es ist, dass er nun auch einmal den Gürtel hält. Und er wäre ja nun schon so lange dabei, blablabla. Aber im Wrestling geht es nun mal nicht darum, wer was verdient hat. Sicher, Big E hat einiges auf dem Kasten. Das wissen wir. Und er könnte ein glaubwürdiger Champion sein, wenn er nicht ständig mit seinen Pancake-werfenden Freunde vom Einhornclub New Day abhängen würde. Das zieht ihn so dermaßen nach unten.
Ich kann mir das nur so erklären, dass Big E hier als Transitional Champion fungiert und das Scharnier zwischen Lashley, Reigns, Lesnar und auch Finn Balor bilden soll. Hot Shotting mag zwar in diesem Konkurrenzkampf eine natürliche und nur allzu verständliche Reaktion sein, aber Vince ist eigentlich zu lange im Geschäft, um in solche Panikreaktionen zu verfallen. Zumal man bei AEW gut beobachten kann, wie die Entwicklung stockt, wenn man sein Pulver zu früh verschossen hat. In welcher Konstellation will man CM Punk jetzt noch sehen?

Ach ja, Becky Lynch fremdelt in ihrer Heel-Rolle. Ich liebe The Man und sie wird das Kind schon irgendwie schaukeln, aber ich mochte Becky – den Heel wider Willen – viel lieber als Becky, die Karriereleiter für Bianca Belair. Ich verstehe auch nicht wirklich, welchen Narren man an Belair gefressen hat. Ich sehe nur ganz wenig Ausstrahlung und Charisma. Gute Athletin, aber kein Gespür für das Geschäft. Und wozu hat man eigentlich Rhea Ripley in den Hauptkader befördert? Für ein Tag Team mit Nikki A.S.H., das keine allzu langen Zukunftsaussichten hat? Verschenkt.
Ebenso verschenkt ist Charlotte Flair, die sich krampfhaft müht, gegen den neuen Merchandise Darling Alexa Bliss noch etwas auf die Beine zu stellen. Wenn man ehrlich ist, sollte Charlotte einfach eine Promo halten, in der sie diese dämliche Alexa-Bliss Puppe in die Kamera hält und zum Kauf derselben aufruft. Um mehr geht es ja hier wohl nicht. Dazu passt der Fakt, den ich bei Bryan Alvarez aufgeschnappt habe: während eines albernen Segments mit Flair-Bliss Beteiligung sollen auffällig viele Leute die Halle verlassen haben (Schätzungen reichen von 700 bis 1.500 Leuten). Wie immer das einzuordnen ist (ist das eine normale Fluktuation? Sind diese Leute nur pinkeln gewesen?), eins steht fest: wenn es explizit erwähnt wird, hat es eine Bedeutung. Und für mich deutet es darauf hin, dass viele Wrestling-Fans von diesem Bullshit angeödet sind.

Also: bei WWE bleibt im Großen und Ganzen alles beim Alten. Die Situation und der Ausblick in den jeweiligen Main Event Szenen – mit Abstrichen (siehe Big E) – top, der Rest eher so „meh“!
AEW könnte interessant werden. Könnte. Wenn man es denn schaffen würde, dort Struktur reinzubringen. Es sind aber viel zu viele Storylines, Nebenkriegsschauplätze und der Kader zu aufgeblasen. Vieles ist einfach unnötiges Füllmaterial, in nicht wenigen Fällen sind Qualität und zugrundeliegende Fähigkeiten nicht auf einem Level, das einer international etablierten Promotion würdig ist. Tony Khan, man muss auch mal Leute entlassen, die einen nicht weiterbringen! Und man muss seine wenigen Stars (ja, nicht jeder ist ein Häuptling oder ein Moneymaker) geschickt positionieren.

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