Warum Hannibal aka Devon Nicholson im Wrestling nichts zu suchen hat

Ich habe grundsätzlich nichts gegen lokale Wrestling Promotions und sogenannte Indy-Wrestler. Jeder hat mal klein angefangen. Einige wenige wurden erfolgreich, viele blieben klein und verschwanden irgendwann wieder von der Bildfläche. Aber es gibt diese Sorte von Wrestlern und Promotern unterhalb des Radars, die dem Sport nicht gut tun und ich will hier meine Gedanken ausbreiten, weshalb Hannibal aka Devon Nicholson nicht erst seit kurzem dazugehört.

Wannabe Journalisten im Wrestling

So ein jemand ist Hannibal aka Blood Hunter aka Devon Nicholson und auch die World Class Pro Wrestling Promotion.
Mir ist egal, wieviele Follower und Arschkriecher der Vogel auf Youtube hat und wieviele davon überzeugt sind, seine Aktivitäten hätten auch nur irgendetwas mit Professional Wrestling zu tun. Nur weil Millionen Fliegen behaupten, Scheiße schmeckt gut, tut sie das nicht. Ja, ich gebe es zu – es sind hin und wieder große Namen der Wrestling-Welt, die er in seinen „Interviews“ vor die „Kamera“ seines Youtube Kanals Hannibal TV bekommt. Ob er diese nun dafür bezahlt oder nicht. Aber eine Webcam im Schlafzimmer, ein billiges Mikrofon und ein wackliges Skype-Gespräch mit einem ehemaligen Wrestler sind noch lange kein Ausweis herausragender journalistischer Tätigkeit. Für einen Anfänger oder Hobby-Journalisten ist das okay (ich selbst benutze ein günstiges Headset, um meine Podcast-Folgen aufzunehmen), aber für den nach Selbstauskunft wichtigsten und bedeutendsten Wrestling-Kanal ist das einfach nur peinlich. Abgesehen von den Wrestling-Themen, die dort besprochen werden, kamen für eine ganze Weile verschwörungsspinnerte Inhalte in Reihe rüber. Nachweis von Außerirdischem Wirken auf der Erde, natürlich Corona und was weiß ich noch alles. Neuerdings muss sich seine Freundin und Managerin Blaze im Bikini auf Bänken oder unter Duschen räkeln. Also wenn man es damit nicht ganz nach oben schafft, weiß ich auch nicht. Ich hatte den Kanal auch einmal abonniert, weil er seine Videos geschickt platziert und man auf der Suche nach Interviews zwangsläufig über ihn stolpert. Aber ganz ehrlich, nach 5 Minuten intensiven Zuhören wird einem der Kopf schwer, die Augen fallen zu und die Ohren bluten. Diese einschläfernde Stimme, dieses Fehlen jedweder Intonation, diese nichtssagende Gesprächsführung, diese ausdruckslosen Augen.

Gut, diese Videos kann man sich antun, muss es aber nicht. Es basiert alles auf Freiwilligkeit. Niemand wird durch sie verletzt oder gefährdet. Sieht man einmal vom guten Geschmack, dem Zeitverlust und vielleicht ein oder zwei leicht beeinflussbaren Personen ab, die dadurch Covid19 für eine leichte Grippe halten.

Wrestler Devon Nicholson sticht auf Ringrichter ein

Aber leider ist Devon Nicholson auch ganz fest der Überzeugung, er wäre ein herausragender Wrestler und Promoter. Die Mehrheit der Fans und Verantwortlichen sieht das scheinbar anders, denn so richtig will niemand mit ihm arbeiten. Abgesehen von Veranstaltern, die unter dem Radar agieren. Bei WWE hat es ja unter anderem wegen der Sache mit Abdulla The Butcher und der Hepatitis-Erkrankung nicht geklappt. Andererseits wäre das auch eine sehr kurze Karriere geworden.
Wie bei bei der Veranstaltung Christmas Star Wars in Irving Texas, die von der vorher erwähnten World Class Pro Wrestling abgehalten wurde. Zum genauen Ablauf gibt es nun die Schilderungen von Devon „Hannibal“ Nicholson, der hier unter seinem Blood Hunter Gimmick auftrat und im Prinzip allen anderen Beteiligten/Anwesenden.
Ich war nicht persönlich dabei und das wacklige Videomaterial zeigt nur Ausschnitte des Geschehens. Alles davor und danach kommt nur scheibchenweise heraus. Ich kann somit nicht sagen, ob der zusätzliche Referee Lando Deltoro 75 $ erhielt, um einen Blood Job zu erledigen (vermutlich mit selbst beigefügten Verletzungen durch eine Rasierklinge). Ich weiß nicht, ob Deltoro informiert war, dass Nicholson ihn zusätzlich mit einem Eispickel auf dem Kopf bearbeiten wird und ob die Veranstalter das so abgesegnet haben. Ich habe nur die Bilder des medizinisch versorgten Kopfes von Deltoro gesehen und das hat mir gereicht, um zu wissen dass hier etwas total aus dem Ruder gelaufen ist. Einstiche über Einstiche und eine gerissene Arterie, die zusammengeflickt werden musste. Der Ring voller Blut. Gratuliere. Die Aufmerksamkeit und die Heat habt ihr nun.

Selbst, wenn das ein „Unfall“ gewesen wäre (und da muss man schon sehr den Konjunktiv bemühen), ist das absolut bescheuert und maximal unnötig. So etwas kann nur passieren, wenn Amateure andere Amateure engagieren, um Profi-Arbeit zu erledigen. Ich meine, wir reden hier nicht von WWE oder AEW und es ist auch nicht Wrestlemania oder der Money in the Bank PPV. Nein, es ist die mir völlig unbekannte World Class Pro Wrestling mit einer nicht regelmäßigen Veranstaltung im Nirgendwo von Texas vor einem paar Dutzend Zuschauern. Was bitte hat da Bleeding zu suchen? Es gibt keine weiterführende Storyline oder Angle, wo sich das nochmal auszahlen würde. Warum musste überhaupt der Referee bluten? Hannibal sagt in seinem Video dazu, dass es unbedingt ein Schiri sein musste, weil sich der Gegner Carlito dem Colour-Job verweigerte. Auch niemand anders wollte „bluten“ und der Veranstalter hat wohl darauf bestanden, dass die regulären Refs auch nicht bluten oder in so einem bekloppten Angle verheizt werden. Zu diesem merkwürdigen Gimmick gehört wohl, dass am Ende immer jemand blutet. Nun war ja Carlito (ex-WWE) nie die hellste Kerze auf der Torte, aber zumindest war er schlau genug, für Devon Nicholson nicht die Blutkonserve zu spielen. Nicht für 75 Dollar. Lando Deltoro war es offensichtlich, womit er sich nun auch nicht gerade für höhere Weihen empfohlen hat (selbstverständlich wünsche ich ihm trotzdem gute Besserung und dass keine Folgeschäden bleiben). Dasselbe trifft auf die Promotion zu. Nicht weil sie im Anschluss falsch gehandelt hätte (die weitere Zusammenarbeit mit Nicholson/Hannibal wurde umgehend beendet), sondern weil sie so jemanden wie den „Blood Hunter“ überhaupt engagiert hat. Der offizielle Schiedsrichter in diesem Match hat angeblich Carlito kurz vorher dazu geraten, das Match kurz zu halten, weil ihm Blood Hunter nicht „sauber“ bzw. berauscht vorkam. Offensichtlich eilt Hannibal ein gewisser Ruf voraus und verschiedene Wrestler und Wrestlerinnen (wie Miranda Gordy) berichten von Zwischenfällen und Eskapaden. Irgendwie hängt da aber auch Kevin Sullivan mit drin und der benutzt seinen verbliebenen Ruf, um Nichsolson immer wieder aus der Schusslinie zu ziehen. Ich sage es jetzt einmal, wie ich das sehe: lieber Kevin Sullivan – mir ist wurscht, was Du in Deiner Karriere alles erreicht oder Tolles geleistet hast. Den Prince of Darkness Kram kannst Du Dir sonstwohin stecken. Dass Du zum unrühmlichen Ende von WCW dort Headbooker warst, sagt mehr als genug. Sich zurückziehen und Ruhestand genießen, anstatt durch Mini-Ligen und über Fanfeste zu tingeln. Das wäre mal angesagt. Und nein, kayfabe the police (wie ihm vom offiziellen Ref des Kampfes unterstellt wird) hat hier mal gar nichts zu suchen. Die Zeiten sind lange vorbei und so ein Verhalten sollte nur noch historisch betrachtet werden. Hätten die hinzugerufenen Cops den Eispickel entdeckt und hätte man ihnen gegenüber nicht behauptet, Deltoro hätte sich all diese Verletzungen selbst zugefügt, hätten sie Hannibal wohl gleich mitgenommen.

Natürlich, jede Medaille hat ihre zwei Seiten. So wird auch hier geklärt werden müssen, von wem Nicholson aka Blood Hunter den Eispickel überreicht bekommen hat oder ob alles auf seinem Mist gewachsen ist und wie sich alles zugetragen hat. Und, wer gegenüber wem gelogen hat und auf wessen Anweisung.
Es liegt jetzt auch an World Class Pro Wrestling, dafür zu sorgen, dass Deltoro die nötige, nachbereitende medizinische Versorgung erhält und dass sie für alle entstandenen und noch entstehenden Kosten aufkommen. Eine schnell aufgelegte GoFundMe Kampagne klingt da erstmal nicht vertrauenswürdig. Auch muss der Vorfall akribisch aufgearbeitet und daraus Konsequenzen gezogen werden.

Nicholson alias Hannibal rechtfertigt sich im bereits erwähnten Video, dass er nicht gut sehen konnte, weil er eine Brille und darüber eine Maske mit einem feinmaschigen Netz über den Augenlöchern trug. Das gehöre zu seinem Gimmick. Das ist auf so vielen Ebenen so blöd. Erstens gibt es Kontaktlinsen, zweitens hat ihn niemand zu dieser Maskerade gezwungen außer er selbst. Und drittens: wenn ich nicht sehe was ich tue, lasse ich es bleiben! Wenn ich nicht weiß, was ich da eigentlich mache, lasse ich es bleiben.

Und letztlich (und damit will ich diese unappetitliche sowie ärgerliche Anekdote abschließen) geht es um den Ruf der gesamten Branche. Das ist genau die Art von „Publicity„, die dieser Sport nicht benötigt. Dieses falsch verstandene Backyard-Garbage-Indy-Outlaw-Hardcore-Wrestling ist unter anderem einer der Gründe, weshalb sich TV Sender, Zeitungen, Magazine und Sponsoren vom Pro-Wrestling abgewandt haben und dieser Sport heute nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Eine Aktion solchen Kalibers bleibt im Gedächtnis der Leute besser hängen als 10 herausragende und sichere Kämpfe. Vor allem in den Mainstream Medien, die im allgemeinen keinen tiefen Einblick in die Branche haben. Da bleibt dann nur die Schlagzeile hängen (einfach Googlen, dann seht ihr, was BILD und Co daraus gemacht haben).
Unfälle passieren. Und man könnte sagen, je unprofessioneller desto mehr. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber dieser Vorfall war sicherlich kein Unfall in dem Sinne, dass es unerwartet kam oder nicht zu verhindern gewesen wäre. Schaut euch ein paar Hannibal-Kämpfe an. Mit dem würde ich nicht in den Ring steigen, wenn ich nicht gerade Haku oder Brock Lesnar heiße. Hier hat jemand mit dem Leben eines Mitarbeiters gespielt, um seine ganz persönliche Agenda durchzusetzen – auf Kosten anderer Menschen. Der Promotion hätte dieser Stunt nichts gebracht, dem Ringrichter ohnehin nicht und nur Hannibal hätte ein bisschen mehr Content für seinen shitty youtube channel und einen kleinen Schub für sein verrottetes Ego gehabt.

Vertrauen ist im Wrestling die überall geltende Währung. Im Ring muss man sich vertrauen. Man legt sein Leben buchstäblich in die Hände einer anderen Person, während diese dasselbe tut. Wenn die eigene Gesundheit beim Gegenüber nicht in den besten Händen ist, können schlimme Dinge passieren. So wie hier. Nun ist es glücklicherweise nochmal gut ausgegangen, aber verlorenes Vertrauen lässt sich nicht wiederherstellen. Es wurde mißbraucht und der Veranstalter ist seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen. Wer mit einem verbliebenen Stück Verstand steigt denn jetzt noch in den Ring mit diesem Kasper? Wer arbeitet noch mit dem?

Mir fehlt jetzt das tiefere Verständnis dafür, wie der Sachverhalt auf rechtlicher Ebene zu bewerten ist. Die USA sind dahingehend eine Wundertüte. Es gibt Leute mit größerer Expertise, die das einordnen können. Erschwerend kommt hinzu, dass Devon Nicholson Kanadier ist und es damit wohl nicht gleich zu einem Auslieferungsersuchen durch den Staat Texas kommen wird. Auch hat sich das Opfer Deltoro scheinbar dagegen entschieden, gerichtlich gegen Hannibal vorzugehen.
Aber über eine lebenslange Sperre oder zumindest doch Selbstverpflichtung aller mehr oder weniger großen Wrestling Promotions in den USA, diesen Typen nicht mehr zu engagieren, sollte nachgedacht werden. Solche Aktionen, solche Charaktere schaden dem Pro-Wrestling ungemein, auch wenn es in irgendeinem Hinterhof in Oklahoma einen sogenannten Promoter geben wird, der dem Ruf des Geldes nicht widerstehen kann.

Schreibe einen Kommentar