Seit gut zwei Wochen ist Zelina Vega wieder bei WWE aktiv, was mich aus zwei Gründen erfreut. Aber der Reihe nach.
Vor einem dreiviertel Jahr wurde sie von ihrem Arbeitgeber WWE freigesetzt, nachdem sie sich über eine Vermarktungsregelung geradezu gefetzt haben. WWE erlaubt es seinen (vor allem weiblichen) Angestellten nicht, sich zusätzlich zum WWE Engagement auch extern zu vermarkten. Das betrifft bestimmte Social Media Plattformen wie Twitch, Cameo und auch OnlyFans. Beim letzten Dienstleister startete Vega eine weitere Karriere als Cosplayer. Diese unauthorisierten Nebeneinkünfte sollen in einigen Fällen deutlich höher liegen, als was der Branchenführer gemeinhin zahlt (nur damit man mal weiß, weshalb diese Promotion auch in Corona-Zeiten Rekordergebnisse erzielt).
Die Debatte, ob Wrestler bei WWE als Festangestellte oder Solopreneure zu betrachten sind, schwelt seit den 1980er Jahren. Aus der Marktmacht heraus ist WWE de facto der Arbeitgeber für die „Angestellten“ und Vince McMahons Wort ist das Gesetz. Zelina Vega war nur die Spitze des Eisbergs. Es ist davon auszugehen, dass viele Wrestlerinnen es nicht auf einen Streit ankommen lassen und die Klappe halten.
Dass Zelina Vega jetzt von WWE wieder eingestellt wurde, ist erstmal ein Versuch der Schadensbegrenzung der Promotion aus Connecticut. Der Fall Vega hat viel Staub aufgewirbelt und vor allem dort, wo es WWE gar nicht gern sieht. Politiker, Unternehmer und Aktivist Andrew Yang hatte schon frühzeitig angekündigt, im Falle eines Wahlsieges darauf hinzuarbeiten, dass diese WWE-Regelung der Selbstvermarktung null und nichtig ist. Solange Donald Trump an der Macht war, musste V. MacMahon nichts befürchten – die Verbindung dieser zwei Alphatiere reicht weit zurück.
Somit ist es für World Wrestling Entertainment besser, Zelina Vega pisst aus der Scheune heraus als an die Scheune. Offensichtlich war Vega schlau genug, im Hintergrund nicht alle Brücken zu WWE abzubrechen, sie hat sich immer eine Tür offengehalten. Ob sie damit ihren Anspruch auf eine eigene Vermarktung eben bei OnlyFans aufgibt, ist nochmal extra zu betrachten.
Ich persönlich freue mich, dass hier einmal David gegen Goliath gewonnen hat. Auch wenn das erstmal nur auf dem Papier so aussieht. McMahon hat selbst daran gearbeitet, dass Wrestling nur noch als Fake, als Show wahrgenommen wird. So viele Wrestler und Wrestlerinnen äußern sich auf Twitter, Instagram und Co. abseits ihres Gimmicks, dass es nun auch egal ist, ob sich Frau Vega in Phantasiekostümen auf einer Bezahlplattform zeigt. Wenn die Zahnpasta einmal aus der Tube ist, kriegst Du sie nicht wieder rein!
WWE lernt wahrscheinlich auch (auf die harte Tour), dass sie zwar Marktführer sind, aber nicht mehr das einzige Wrestlingunternehmen. Zelina Vegas Ehemann, Aleister Black, ist nach einem verstörend kurzen Intermezzo, auch zum großen Konkurrenten AEW gewechselt. Genauso wie Zelinas Schützling Andrade, den sie bei WWE gemanaged hat.
Und da kommen wir auch zum zweiten Grund, weshalb ich mich über Zelina Vegas Combeack bei WWE freue: Sie ist ein wahres Talent, das nicht als kleine Sternschnuppe in der social media Welt verpuffen sollte. Nicht unbedingt ein In-Ring-Talent, aber als Managerin bzw. Mouthpiece ist sie erstaunlich weit entwickelt. Ohne sie wäre Andrade nur ein technisch guter, aber farbloser und anticharismatischer Wrestler gewesen. Gut, das stört WWE heute nicht mehr – aber ihre Arbeit am Mikro, am Ring hat für den gewissen Kick gesorgt. Im Ring … na ja. Nichts Herausragendes. Ihre Gesichtsausdrücke stimmen, ihre Attitüde auch. Aber dann hört es auch schon auf. Da fehlt das Gespür für Timing und auch Psychologie. Als Heel müsste sie das Match callen, aber sie lässt sich eher treiben. Nicht ausgeschlossen, dass wir das alles noch zu sehen bekommen, wer weiß.
Ihr Comebackmatch hat sie dann übrigens verloren. Von SmackDown (Vize?)General Managerin Sonya Deville mit einem Freilos in das Money in the Bank Match gelotst, musste sie sich einer empörten Liv Morgan in einem spontan angesetzten Match stellen (das war zwar sinnlos, dafür aber 100% WWE). Der Kampf ging nach einer illegalen Aktion von Morgan (Griff an die Hose) verloren. Denn Comeback ist das Eine und Push das Andere. Den Push scheint im Moment eher Liv Morgan zu erhalten. Die finde ich zwar süß und sie hat auch einiges dazugelernt, aber ihre In-Ring-Perfomance ist meiner Meinung nach nicht überzeugend und noch einige Ebenen unter den Main Eventern anzusiedeln. Ich weiß auch nicht, warum ein Babyface (zumindest in diesem Kampf) eine illegale Aktion zum Sieg benötigt.