The Fiend Bray Wyatt bei WWE entlassen

Mit Bray Wyatt verlässt ein weiterer Wrestler WWE in Richtung AEW (wahrscheinlich). Eigentlich wäre das keine Meldung auf diesem Blog wert, da sich die Entlassung Wyatts nur in die Entlassungswelle der letzten Wochen einreiht. Aber bei dieser Personalie ist es etwas anders, weshalb ich hier etwas näher darauf eingehen möchte.

Bray Wyatt wurde in den letzten Jahren zu einem Top-Star bei WWE aufgebaut, während Leute wie Daniel Bryan (Bryan Danielson) in letzter Zeit etwas verloren im Kader herumdümpelten. Schwer vorzustellen, dass Vince McMahon noch einmal auf den Yes-Man gesetzt hätte. Wyatt hingegen war noch vor nicht allzu langer Zeit Träger der Universal Championship sowie WWE Champion und sein selbst erarbeiteter Fiend-Charakter beherrschte den Main Event.

Davon mal abgesehen, dass ich diese Art von „Wrestling“ und Storytelling überhaupt nicht mag (in den Artikeln auf diesem Blog sind seit längerer Zeit subtile Hinweise dafür versteckt), muss ich zugeben, dass sich Bray Wyatt eine loyale Fanbase erarbeitet hatte, die fanatisch alle seine kindischen Promos und Blödsinnigkeiten im Ring bejubelt hat. Selbst bei fremdschamigen Momenten wie der Verbrennung des Gegners im Ring hielten die Fanboys und -girls dem Unhold die Treue. So ein ausgemachtes Tafelsilber gibt man doch nicht einfach so weg, oder doch?

Offensichtlich war Wyatt in den Augen der Führungsetage von WWE dann doch nicht so eine wertvolles Asset im Portfolio. Seine Entlassung wurde ja vom wieder mal als Talentverwalter Laurinaitis mit Budgetkürzungen begründet, was wieder einmal meine These eines geplanten Verkaufs von WWE stärkt. Nun war Wyatt kein Kleinverdiener bei WWE, aber egal, was er dort verdient hat – das dürfte er doppelt und dreifach für seinen Arbeitgeber wieder eingebracht haben. Zumal die richtigen Großverdiener wie Randy Orton oder der wiederkehrende John Cena unangetastet bleiben. Auch ein Teilzeit-Wrestler wie Bill Goldberg wird nicht für einen warmen Händedruck kommen. Zudem leistet man sich eine Rückkehr zwiespältiger Akteure wie Eva Marie. Also so ganz überzeugend ist damit die Erklärung „Budgetangelegenheit“ für mich nicht.

Da bleiben dann jetzt noch der Verletzungsaspekt und ein angeblicher perfider Plan, um dem Konkurrenten AEW zu schaden. Zu letzterem gleich mehr.
Der Fiend hatte wieder eine Verletzungspause eingelegt, weshalb Alexa Bliss wieder einmal die übernatürliche Horror-Storyline am Köcheln halten musste. Ist Bray Wyatt einfach zu verletzungsanfällig, was ein längeres Fehdenprogramm von vornherein unmöglich macht? Ist WWE Chairman Vince McMahon in diesem Zusammenhang ein Licht aufgegangen? In der Form, dass man sich mit diesem Cartoon- und bigger-than-life Charakter einfach in eine Sackgasse gebooked hat? Ich hatte dieses Problem ja schon in meinem Artikel über Natalya Neidhart angesprochen. Wenn sich ein Gimmick totgelaufen hat, kann man heute die Wrestler nicht einfach ins nächste Territorium wechseln lassen, wo sie die gleiche Nummer erneut abziehen können. Entweder man nimmt sie eine ganze Weile aus dem Programm (da tut dann der hochdotierte Vertrag tatsächlich weh) oder überarbeitet das Gimmick komplett. Aber: während der Fiend noch relativ interessant rüberkommt, ist Bray Wyatt im Ring einfach nur Durchschnitt.

Gezielte Entlassung, um AEW zu schaden?

Eine wilde Theorie behauptet, dass McMahon die Freigabe extra erteilt hat, um dem Konkurrenten AEW eins auszuwischen. AEW kauft ja fast alles weg, was WWE entlässt – ungeachtet, ob ihnen dieser oder jener Wrestler weiterhilft. Bei Wrestlern wie Christian oder Rusev könnte man darüber diskutieren, aber ein Name wie Bray Wyatt hat Zugkraft. Hier muss AEW förmlich zuschlagen.
Die Verträge werden nicht die vormaligen Konditionen drinstehen haben, aber auch ein Bray Wyatt könnte auf seine Starpower verweisen und sich eine feststehende siebenstellige Gage in seinen Vertrag schreiben lassen. Die Anhänger dieser Theorie behaupten, dass sich AEW sich damit finanziell übernehmen soll, zumal Vince der Meinung wäre, dass ein Bray Wyatt dieses Geld gar nicht wert sei. Diese Taktik wäre auch beim letzten großen WWE Konkurrenten (gemeint ist Ted Turners WCW) aufgegangen, der sich mit der Verpflichtung von Hogan, Hall und Nash (ja, das klingt jetzt wie eine amerikanische Band aus den 70ern) finanziell überhoben hat.
Der Vergleich ist allerdings schwierig.
Ja, auch AEW ist eine Bedrohung für World Wrestling Entertainment, aber nicht in dem Maße wie es World Championship Wrestling war. Auch bei WCW stand mit Ted Turners Medienimperium ein sehr potenter Geldgeber hinter der Promotion, wodurch viele finanziellen Löcher gestopft wurden. Nur am dilettantischen Umgang mit Geld allein hat es nicht gelegen. Die letzten Jahre war ein konsistentes Booking nicht mehr vorhanden. Wirre, unausgegorene Storylines wurden genauso schnell beendet, wie sie eingeführt wurden und die „Stars“ wie Hogan, Nash, Steiner oder Flair machten ohnehin was sie wollten. Der Erfolg der Attitüde Ära bei WWE besiegelte dann das WCW Schicksal.

Auch bei AEW gibt es Anzeichen von Dilettantismus. In vielen Fällen darf jeder Akteur offensichtlich das im Ring machen, was er für richtig hält. So dämlich es auch sein mag. Die Herren aus der „Kreativabteilung“ (Cody vielleicht ausgenommen) haben sich in der Vergangenheit nicht mit soliden und überzeugenden Booking-Kenntnissen hervorgetan. Es herrscht eine Talentverschwendung über alle Maßen. Unnützes Talent wird hingegen nicht vor die Tür gesetzt. Das war es dann aber auch mit Gemeinsamkeiten zwischen AEW und WCW.

Warum jetzt manche Leute glauben, Vince würde gezielt Wrestler entlassen, in der Hoffnung sie heuerten bei der Konkurrenz an und schaden ihr damit, kann ich nicht nachvollziehen. Der alte Mann aus Hartford mag Tony Khan jetzt möglicherweise etwas ernster nehmen, aber wir sind noch weit davon entfernt, von einer „Bedrohung“ zu sprechen. Allerhöchstens wäre so eine Aktion mit diesen Hintergedanken als Nadelstich zu sehen, der All Elite Wrestling ärgern soll.

Interessant wird jetzt auch der weitere Werdegang von Alexa Bliss, die sich nach ihrer mehr oder weniger beendeten In-Ring-Karriere an Bray Wyatt gekettet hatte. Natürlich könnte man jetzt ihre alberne Puppen-Storyline separat weiterlaufen lassen, aber wenn man ehrlich ist, war das immer nur ein Platzhalter gewesen. Angeblich hätte man im August mit der Rückkehr des Fiend gerechnet, der ja nach dem Verrat von Alexa Bliss an ihrem „Retter“ bei Wrestlemania 37 noch ein Hühnchen mit little Miss Bliss zu rupfen hatte.

Bray Wyatt ist übrigens der ältere Bruder von Bo Dallas (nein, er ist immer noch nicht gestorben) und Mitglied einer nicht unbedeutenden Wrestlingfamilie. Sein Vater ist der allseits geschätzte „Captain“ Mike Rotunda, der bei WWF auch als I.R.S. unterwegs war und mit dem Million Dollar Man Ted Dibiase ein erfolgreiches Tag Team bildete. Sein Großvater war die 2016 verstorbene Legende Black Jack Mulligan. Dazu Barry Windham als Onkel. Wrestling-Dynastie, was willst Du mehr?

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